Die Stiftung Brückner-Kühner vergibt seit 1985 den „Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor“ sowie seit 2004 regelmäßig auch den „Förderpreis Komische Literatur“. Die Stiftung wurde von dem Schriftstellerpaar Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner (beide 1921–1996) ins Leben gerufen und ist heute ein Literaturzentrum für die Kultur des Komischen, für zeitgenössische internationale Poesie sowie für die Erinnerung an Werk und Leben des Stifterpaares in dessen Wohnhaus.
Die öffentliche Preisverleihung ist am Samstag, 29. März 2025, im Kasseler Rathaus. Anmeldungen sind nicht mehr möglich.
Literaturpreis 2025 geht an Nora Gomringer
Die Lyrikerin und Performerin Nora Gomringer erhält im Jahr 2025 den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor. Die Auszeichnung ehrt sie für ihre von abgründigem Humor geprägte Sprachkunst.
Begründung der Jury
„Nora Gomringer lebt als Dichterin und Performerin Sprache körperlich aus: Die Klarheit und Präsenz beim Sprechen und die Intermedialität ihrer Werke zeugen von einer klugen und mutigen Künstlerin. Dabei sorgt ihre Komik stets für eine Verschiebung der Weltbetrachtung. Menschen werden zu Monstern und Tiere zu Menschen, wenn die Autorin mit Tiefenkenntnis Erfahrungen aus aktueller Realität, klassischer Literatur oder Popkultur akustisch und visuell in Wortmusik verwandelt. Mit eindrucksvoller Sprachgewalt verliert sie dabei nie die Lust an Witz und Spiel, was ihre Texte gleichzeitig schwerelos erscheinen lässt. Dieses Changieren gelingt ihr auch auf der Gratwanderung zwischen Humor und Horror, deren Grenzen sie gekonnt auslotet. Als Meisterin der kleinen Form verdichtet die Lyrikerin Welt in wenigen Zeilen mit ungeahntem Nachhall.“
Nora Gomringer, geboren 1980, ist Schweizerin und Deutsche. Sie ist Lyrikerin und schreibt für Radio und Feuilleton, veröffentlicht Kolumnen und Essays. Auftragsarbeiten wie Libretti für Opernprojekte und das Theaterstück „OINKONOMY“ wurden für verschiedene Bühnen realisiert. Gastprofessuren und Stipendien führten sie nach Sheffield, Koblenz/Landau, Oberlin (Ohio), Kyoto, New York und Novosibirsk. Seit 2010 ist sie Direktorin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg. 2011 bekam sie den Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache verliehen, 2015 den Ingeborg-Bachmann-Preis für den Prosatext „Recherche“, 2020 die Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz für ihre Verdienste um die deutsche Sprache und 2022 den Else-Lasker-Schüler-Lyrikpreis. Ihr Werk ist in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Über den Literaturpreis
Loriot, Robert Gernhardt, Gerhard Polt, Dieter Hildebrandt, Helge Schneider, Karen Duve, Felicitas Hoppe, Heinz Strunk – sie alle sind Trägerinnen oder Träger des Kasseler Literaturpreises für grotesken Humor. Die seit 1985 jährlich verliehene Auszeichnung stiftete das Kasseler Dichterpaar Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis zeichnet Autorinnen und Autoren aus, deren Werk von Komik und Groteske auf hohem künstlerischen Niveau geprägt ist. Die Vergabe erfolgt nicht aufgrund eines Wettbewerbs oder der Begutachtung von eingereichten Arbeiten, sondern einzig und allein aus der Beobachtung des Literaturbetriebs durch den Stiftungsrat. Die Kasseler Sparkasse unterstützt den Preis. Die Firma Hübner stiftet die Preisskulptur.
Stefanie Sargnagel erhält den Förderpreis Komische Literatur
35 Verlage hatten Vorschläge für den Preis eingereicht, die Jury folgte dieses Jahr dem Vorschlag des Verlages Rowohlt Hundert Augen. Stefanie Sargnagel, Jahrgang 1988, veröffentlichte als freie Autorin Texte und Cartoons in diversen Zeitschriften (u.a. im Standard, Falter, Süddeutsche Zeitung) und brachte zuletzt im Dezember 2023 bei Rowohlt Hundert Augen ihren zweiten Roman Iowa heraus. Der Stiftungsrat zeigte sich in seiner Eigenschaft als Jury begeistert vom Komik-Talent der Autorin.
Begründung des Stiftungsrats
„Stefanie Sargnagel schaut mit unverstelltem Blick dort hin, wo die ungeschminkte Realität sich in ihrer ganzen Skurrilität preisgibt – und findet meist den Abgrund direkt neben der Banalität vor. Ihre Romane Iowa. Ein Ausflug nach Amerika (2023) und Dicht (2020), sowie ihre Textsammlungen und Zeichnungen stattet Sargnagel mit einem autofiktionalen Figurentableau aus, ohne sich dabei selbst je zu ernst zu nehmen: Mit politischer Klarheit und literarischer Präzision gelingt es ihr, großzügig jedes Anderssein zu umarmen. Im Plauderton ermöglicht sie eine Lektion in Menschenfreundlichkeit, die so lässig und entwaffnend nonchalant ist, dass selbst der absurdeste Wahnsinn noch mit einem Schmunzeln betrachtet werden kann.“
Stefanie Sargnagel, (bürgerlicher Name: Sprengnagel), 1986 in Wien geboren, studierte Freie Kunst bei Daniel Richter an der Akademie der bildenden Künste in Wien und arbeitete unter anderem in einem Call-Center, worüber sie ihre ersten literarischen Arbeiten verfasste. 2016 nahm sie am Wettbewerb zum Ingeborg-Bachmann-Preis teil, bei dem sie den BKS-Bank-Publikumspreis gewann, im Folgejahr wurde sie Klagenfurter Stadtschreiberin. Neben ihren prosaischen Werken und humoristischen Cartoons schreibt sie journalistische Texte. Im September 2024 begleitete Sargnagel ein Sea-Watch-Team auf Lampedusa und veröffentlichte darüber eine Reportage im Standard.
Über den Förderpreis Komische Literatur
Der Förderpreis Komische Literatur wird seit 1999 vergeben, ist mit 3.000 Euro dotiert und für Autorinnen und Autoren der omischen Literatur gedacht, die noch am Anfang oder einer frühen Phase ihrer schriftstellerischen Laufbahn stehen (und dem Stiftungsrat von ihren Verlagen vorgeschlagen werden). Die Einreichungsfrist endet jeweils am 30. Juni.
Ausgezeichnet wurden bisher: Frank Schulz (1999), Jochen Schmidt (2004), Tilman Rammstedt (2005), Jess Jochimsen (2006/2007), Philipp Tingler (2008), Michael Stauffer (2009), Rebekka Kricheldorf (2010), Jan Neumann (2011), Tino Hanekamp (2012), Wolfram Lotz (2013), Arno Camenisch (2015), Kirsten Fuchs (2016), Ferdinand Schmalz (2017), Dagmara Kraus (2018), Jakob Nolte (2019), Chrizzi Heinen (2020), Lukas Linder (2021), Anaïs Meier (2022), Noemi Somalvico (2023), Nele Pollatschek (2024).